Innovation in stabilen Systemen: Ein Widerspruch?
Wie kann eine Organisation Innovationen hervorbringen, deren Kernauftrag es ist, Stabilität und Beständigkeit zu garantieren? Diese Frage ist mehr als ein theoretisches Gedankenspiel; sie ist eine zentrale strategische Herausforderung für viele etablierte Organisationen. Ganz besonders trifft dies auf Institutionen wie die Polizei zu.
Ich hatte die Ehre und Freude, bei der Führungstagung der Polizei Köln zu Gast zu sein und genau über dieses Spannungsfeld zu sprechen. Es war ein Tag voller spannender Einblicke in die Komplexität und Professionalität der Polizeiarbeit.
Die Falle der Optimierung
Gemeinsam mit Katharina Jäger vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. durfte ich in unserem Impulsvortrag „Future Work” einen Gedanken teilen, der für jede Organisation – ob privatwirtschaftlich oder öffentlich – relevant ist: Die reine Optimierung des Bestehenden kann zur Falle werden.
Wir sprachen über Kodak. Ein Unternehmen, das oft als warnendes Beispiel für verpasste Digitalisierung genannt wird. Das Faszinierende ist: Kodak hatte alle Technologien. Sie hatten die erste Digitalkamera. Es fehlte nicht an Technologie, es fehlte an der Fähigkeit, den eigenen Wert – das Teilen von Erinnerungen – in die digitale Welt zu transportieren. Man war zu sehr damit beschäftigt, das bestehende, erfolgreiche Geschäft zu optimieren.
Exzellenz im Alltag vs. Gestaltung der Zukunft
Hier liegt die größte Herausforderung: die Balance. Im Alltag exzellent sein, den Kernauftrag mit höchster Professionalität erfüllen und gleichzeitig die Zukunft aktiv gestalten. Für die Polizei, deren täglicher Auftrag die öffentliche Sicherheit ist, gilt dieser Balanceakt noch einmal in verschärfter Form.
Wie also wagt man sich ins Unbeständige vor, wenn das gesamte System auf Stabilität ausgelegt ist?
Unser Impuls dazu ist klar: Es braucht eine bewusste, strategische Entscheidung. Es braucht ein geschütztes Ökosystem innerhalb der Organisation. Einen Raum, in dem kontrolliert experimentiert werden darf, in dem neue Technologien erforscht und Zukunftswerte geschaffen werden können, ohne den laufenden Betrieb zu gefährden.
Innovation braucht Raum, Strategie und Mut
Diese Gedanken durfte ich im anschließenden Panel „Erfolgsfaktoren für Innovationen“ mit den smarten Köpfen Anu Beck (Gewächshaus M) und Lars Wolfram (talentsconnect AG) vertiefen. Wir waren uns einig, dass es nicht den einen Hebel gibt. Es ist ein Dreiklang aus:
Strategie: Eine klare Vision "von oben", die Wandel nicht nur erlaubt, sondern einfordert.
Raum: Geschützte Innovationsräume und Budgets, die Experimente und auch das Scheitern erlauben.
Mut: Mutige Individuen, "Entdecker", die bereit sind, diese Räume zu nutzen und neue Wege zu gehen.
Der Hebel ist der Austausch
Mein größtes Mitbringsel von diesem Tag ist die Erkenntnis, wie wertvoll der offene und ehrliche Austausch ist. Innovation lebt nicht von genialen Einzelideen im stillen Kämmerlein. Sie lebt vom Diskurs, vom Teilen unterschiedlicher Perspektiven und vom gemeinsamen Ringen um die beste Lösung.
Das bringt mich zu einer Frage an euch: Was ist eurer Meinung nach der größte Hebel für Wandel in etablierten Organisationen? Sind es die mutigen Individuen, der richtige „Raum“ zum Experimentieren oder die klare Strategie „von oben“?